Peter Wanner M.A.       
Geschichten aus Rui Rui Wong

1. Wie die Weißen nach Rui Rui Wong kamen
2. Wie die Weißen auf Rui Rui Wong blieben

3. Wie die Schiffsleute den Drachen fangen wollten
4. Wie der Wasserdrache Rui Rui Duk einmal krank war
5. Wie Fitzliputlzi seinen Zauberstab verlor
6. Wie die Kinder auf Rui Rui Wong einmal alleine frühstückten
7. Wie Rui Rui Duk einmal Liebeskummer hatte
8. Wie die Leute von Rui Rui Wong einmal Besuch bekamen
9. Wie MiMi ein komisches Ding am Strand fand
Ein Leserbild
Die erste Geschichte
Wie die Weißen nach Rui Rui Wong kamen


Es geschah irgendwo in der Südsee. Weit und breit war kein Land zu sehen. Ein furchtbarer Sturm kam auf, und das Schiff ging unter. Alle retteten sich in die Boote und trieben einige Tage auf See. Schließlich tauchte in der Ferne Land auf – eine kleine Insel.

Die drei Boote wurden auf den Strand gezogen, ratlos standen alle um sie herum. Die Insel schien unbewohnt.

"Was machen wir jetzt?" fragte Frau Maier, und keiner wußte weiter.

"Wer weiß, vielleicht gibt es Menschen auf der Insel, Menschenfresser..." fuhr sie fort.

"So’n Quatsch!" sagte ihr Mann, Herr Maier. "Menschenfresser gibt’s nicht."

"Ich bin dafür, daß wir uns hier am Strand ein Lager bauen. Ein paar gehen die Insel erkunden und suchen nach Wasser, nach Essen, Kokosnüsse, Bananen und so muß es doch hier geben", sagte Schulz.

Der Vorschlag wurde angenommen.

Die Boote wurden nebeneinandergelegt, Herr Maier und Schulz gingen zu den Bäumen, die dicht hinter dem Sandstrand wuchsen.

"Ich habe irgendwie das Gefühl, beobachtet zu werden", sagte Herr Maier.

"Ich auch", sagte Schulz. Trotzdem gingen die beiden in den Wald hinein. Alles sah unbekannt, fremd aus. Die Palmen, hoch und dünn, hatten oben riesige Blätter, so daß man den Himmel nicht sehen konnte. Am Boden wuchsen grüne Büsche so dicht, daß man kaum gehen konnte. Überall raschelte es, kleine Affen sprangen von Baum zu Baum.

"Hier gibt es sicher auch Schlangen", fing Herr Maier wieder an. Es sah aus, als fürchtete er sich.

Schulz erwiderte: "Aber hoffentlich keine Menschenfresser!"

In diesem Moment stand plötzlich ein Mann vor ihnen. Er hatte ganz braune Haut, keine Kleider an und war von oben bis unten bunt angemalt. Die schwarzen Haare waren lang und zu einem Pferdeschwanz gebunden.

"Hua wiu jowa Rui Rui Wong!" sagte der Mann.

Herr Maier war blaß geworden. Schulz begann vor Angst zu zittern und stotterte: "Bi-bitte tun sie uns nichts, großer Häu-Häuptling..."

"Hua wiu jowa Rui Rui Wong!" sagte der Mann etwas lauter und kam auf sie zu. In seiner Hand hielt er ein großes Messer, scharf und blank.

"Wi-wir sind Schiffbrüchige!" sagte Herr Maier. "Wi-wir kommen aus Deutschland mit dem Schi-Schiff, aber es ist unterge-gegangen..."

"Hua wiu jowa Rui Rui Wong!" sagte der Mann jetzt ziemlich laut und deutete mit der Hand auf Herrn Maier und auf Schulz und dann hinter sich. Er drehte sich um und winkte ihnen, sie sollten mitkommen. Zögernd gingen sie hinter ihm her.

"Wir sollten wohl nicht versuchen abzuhauen", flüsterte Schulz. "Wahrscheinlich hocken hinter den Büschen noch mehr Menschenfresser!"

Sie gingen nur kurze Zeit hinter dem braun-bunten Mann her, bis sich der Wald lichtete. Sie standen mitten in einem kleinen Dorf aus Holzhütten, die um einen großen freien Platz am Strand herum gebaut waren. Auf dem Platz spielten Kinder, einige Erwachsene - genauso braun und bunt angemalt wie der erste Mann - schienen ebenfalls irgendein Spiel zu spielen, andere saßen auf umherliegenden Baumstämmen und redeten.

Als die Leute die beiden Weißen sahen, wurden sie stumm und umringten sie. Dann begannen alle gleichzeitig wieder zu reden, aber Herr Maier und Schulz verstanden kein Wort. Die Braun-Bunten wurden erst wieder still, als ein großer dicker und ein kleiner dicker Mann in den Kreis traten. Das schienen die Häuptlinge zu sein.

"Hua KolKol!" sagte der große Dicke und verbeugte sich vor Herrn Maier und Schulz.

"Hua GenGen" sagte der kleine Dicke und verbeugte sich auch.

Der Mann, der Herrn Maier und Schulz gefangen hatte, gab ihnen einen Stoß.

"Ich heiße Maier!" sagte Herr Maier und verbeugte sich.

"Ah, MaiMai!" sagte der große Häuptling.

"Ich heiße Schulz", sagte Schulz und verbeugte sich auch. "Ah, SchulSchul!" sagte der kleine dicke Häuptling.

"MaiMai, SchulSchul, MaiMai, SchulSchul", johlten die anderen und tanzten um die beiden weißen Männer und die beiden Häuptlinge herum.

Einige der Kinder kamen heran und faßten Herrn Maier und Schulz an die Hände. Offensichtlich hatten sie noch nie Menschen mit weißer Haut gesehen.

Die beiden Häuptlinge hockten sich auf den Boden und winkten Herrn Maier und Schulz, das gleiche zu tun. Die anderen hörten auf zu tanzen und "MaiMai, SchulSchul" zu singen.

Der große Häuptling holte nun eine Pfeife aus einer Tasche, die er umhängen hatte, stopfte sie mit Tabak und zündete sie an. Er rauchte ein paar Züge und gab sie an Herrn Maier weiter. Der rauchte ein paar Züge und gab sie dem kleinen dicken Häuptling, der sie an Schulz weiterreichte.

"Das soll wohl die Friedenspfeife sein", sagte der. "Vielleicht sind es ja doch keine Menschenfresser..."

Herr Maier zuckte mit den Schultern.

Der kleine Häuptling und der große flüsterten jetzt miteinander und begannen zu kichern. Danach winkten sie ein paar andere Leute her und flüsterten ihnen etwas zu. Die begannen ebenfalls zu kichern und mit den anderen zu flüstern und zu kichern, bis alle flüsterten und kicherten, außer Herrn Maier und Schulz.

Jetzt standen die Häuptlinge auf und verbeugten sich. Der große dicke sagte: "Woi scha loga toda. Sa rigo sta mossa li Rui Rui Duk."

Er drehte sich um und ging, der kleine dicke Häuptling hinterher. Die anderen Leute gingen auch und begannen bald geschäftig in ihren Hütten zu werkeln und hin und her zu rennen.

Keiner kümmerte sich mehr um Herrn Maier und um Schulz. Nur ein paar Kinder standen noch da und kicherten.

"Vielleicht sollten wir jetzt besser verschwinden!" flüsterte Schulz.

"Besser verschwindet nur einer und holt die anderen zu Hilfe, oder sagt denen zumindest, was los ist", sagte Herr Maier. Dann holte er seine Taschenuhr aus der Tasche und hielt sie hoch. Sofort kamen die Kinder neugierig näher, um das seltsame Ding zu betrachten.

Herr Maier begann den Kindern die Uhr zu erklären. Auch wenn sie kein Wort verstanden, hörten sie doch alle gespannt zu, so daß sich Schulz unbemerkt wegschleichen konnte, um die anderen zu benachrichtigen.

Er war außer Atem, als er bei den Booten ankam: "Es gibt Menschenfresser auf der Insel!" rief er. "Oder so. Bisher haben sie uns noch nicht gefressen. Aber gefangen genommen haben sie uns. Oder so. Richtig gefesselt aber auch nicht."

"Was ist los?" fragte Frau Maier. "Wo ist mein Mann?"

"Der ist bei den Menschenfressern..." sagte Schulz.

"Aber gerade hast du doch gesagt, es wären keine Menschenfresser, hast du selbst gesagt", sagte der Sohn von Herrn und Frau Maier, den alle Klein-Maier nannten.

"Na ja, sie sehen so aus. Ganz braun und bunt angemalt. Sie sprechen eine komische Sprache, sie leben in Holzhütten und so..."

"Und was machen sie mit Herrn Maier? Und wie bist du ihnen entkommen?" fragte jetzt die Frau von Schulz.

"Na ja, der Maier spielt gerade mit den Kindern. Er zeigt ihnen seine Taschenuhr. Da hat niemand auf mich geachtet und ich konnte abhauen..."

Alle redeten jetzt durcheinander. Die einen waren der Meinung, daß man in die Boote steigen und fliehen sollte. Menschenfresser! Die anderen sagten, man solle Herrn Maier zu Hilfe kommen, vielleicht seien die braunen Leute ja auch ganz nett. Doch bevor sie zu einem Entschluß gekommen waren, kam Herr Maier aus dem Wald. Er hatte keine Kleider mehr an und er war ganz bunt angemalt. Mit ihm kamen mehrere der braunen Leute.

"Hört mal alle zu", sagte Herr Maier. "Ich glaube, wir sind von den Leuten hier zum Essen eingeladen. Die wollen nichts Böses, wir können ohne Furcht mitgehen!"

Einer der braunen Leute nickte und sagte: "Hua wiu jowa Rui Rui Wong!"

So kam es, daß bei Sonnenuntergang alle Weißen mit den braunen Leuten an einem großen Tisch saßen, der auf dem freien Platz zwischen den Hütten des kleinen Dorfes aufgebaut worden war. Auf dem Tisch standen viele Speisen, Dinge, die die Weißen noch nie gesehen und noch gar nie gegessen hatten; aber sie schmeckten gut.

Und nachdem die Weißen anfangs noch ganz still dagesessen waren und furchtsam auf die braun-bunten Leute mit der seltsamen Sprache und dem seltsamen Essen gestarrt hatten, wurden sie immer fröhlicher und begannen Geschichten zu erzählen. Gleichgültig, ob die Braunen das verstanden oder nicht. Und die Leute von der Insel erzählten auch, gleichgültig ob die Weißen das verstanden oder nicht.

Inzwischen war die Nacht hereingebrochen, man hatte ein großes Feuer entzündet, und die Leute von der Insel hatten zu singen begonnen. Danach sangen die Weißen ein Lied, und zum Schluß sangen alle zusammen.

Das Fest war gerade so richtig in Gang gekommen, als es zu regnen begann. Ein richtiger Wolkenbruch. Das Feuer ging aus, alle wurden klatschnaß.

Die Leute vom Schiff waren erst enttäuscht, daß das Fest wohl nun zu Ende sei.

Aber die Leute von der Insel sangen nun noch lauter und tanzten im Regen herum. Sie sangen immer dasselbe: "Rui Rui Duk, Rui Rui Duk, Rui Rui Duk..."

Da hörte es mit einem Mal auch wieder auf zu regnen, und vom Meer klang ein Platschen herüber, das sich wie Lachen anhörte.

KolKol - sie hatten inzwischen herausbekommen, daß das der Name des großen dicken Häuptlings war - sagte etwas in seiner seltsamen Sprache zu Herrn Maier und zeigte dabei hinaus aufs Meer. Herr Maier verstand kein Wort, nur daß "Rui Rui Duk" darin vorkam. Da nahm KolKol einen kleinen Zweig und malte etwas in den Sand.

Als das Feuer wieder brannte, sah Herr Maier, daß es ein Drachenkopf war. "Rui Rui Duk!" sagte KolKol wieder, zeigte zuerst auf den Drachenkopf und dann hinaus aufs Meer. Da ahnte Herr Maier, daß der Drache und der Regen und das Wasser vielleicht etwas miteinander zu tun hatten.

Aber dann ging er zu den anderen, und sie feierten alle zusammen, bis die Sonne hinter dem Meer aufzugehen begann. Dann legten sie sich in den Schatten der Bäume und schliefen so gut, wie sie es noch nie in ihrem Leben getan hatten.

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Die zweite Geschichte

Wie die Weißen auf Rui Rui Wong blieben

Es war ein strahlend schöner Tag über der Insel in der Südsee.

Herr Maier - den jetzt alle MaiMai nannten - stand auf dem Dorfplatz vor einer großen Tafel aus Holz. Um ihn herum saßen alle Kinder der Insel, braune und weiße.

Herr MaiMai hatte mit Kreide einen Topf auf die Tafel gemalt, und alle braunen Kinder riefen "Wuju!" und alle weißen Kinder riefen "Topf!".

Das machten sie so lange, bis die weißen Kinder wußten, daß Topf in der Sprache der anderen "Wuju" hieß, und bis die braunen Kinder wußten, daß "Wuju" in der Sprache der anderen "Topf" hieß.

Zehn Wochen waren die Weißen jetzt schon auf der Insel, und es gefiel ihnen von Tag zu Tag besser. Jeden Tag schien die Sonne - fast jeden Tag -, und alle trafen sich gleich nach dem Frühstück auf dem Dorfplatz, um miteinander zu reden, zu singen, zu spielen und zu tanzen.

Herr Maier - den jetzt alle MaiMai nannten - begann als erster, die Sprache der Inselleute zu lernen. Bald kannten die meisten Erwachsenen die wichtigsten Worte, und nach und nach sprachen alle die Sprache der Inselleute.

Jetzt wußten die Weißen auch, daß die Insel Rui Rui Wong hieß, daß der Regen bei den Festen von einem Wasserdrachen kam, der Rui Rui Duk hieß und draußen im Meer in einer Höhle unter einer Klippe wohnte.

Die Weißen bauten eigene Hütten, und bald heirateten einige weiße Männer Inselfrauen und braune Männer Schiffsfrauen.

Aber an dem Tag, an dem Herr Maier den Kindern die verschiedenen Sprachen beibrachte, geschah etwas Seltsames.

Vom Meer her erklang ein lautes "Tuuuuut", und in der Ferne erschien ein silbern glitzernder Punkt. Die Kinder rannten sofort zum Strand, beobachteten, wie der Punkt größer wurde, und schrien schließlich: "Butok, Butok, Butok!" und "Schiff, Schiff, Schiff!", alle durcheinander.

Herr Maier ging zum Dorfplatz zurück und schlug die große Trommel. Das bedeutete: "Alle auf den Dorfplatz kommen!"

Es war ein riesiges Schiff, das draußen auf dem Meer vor Anker ging. Alle Dorfbewohner waren am Strand versammelt und beobachteten, wie Boote ins Wasser gelassen wurden und blau-weiß gekleidete Männer in die Boote sprangen.

Sie hatten Ruder und kamen zum Strand gerudert. Im ersten Boot saß ein etwas älterer Mann mit einem weißen Bart und einer weißen Uniform mit goldenen Knöpfen und goldenen Schulterklappen.

"Das ist der Kapitän!" flüsterte Herr MaiMai den beiden Häuptlingen KolKol und GenGen zu.

Der Kapitän stieg als erster an Land, kam zu den versammelten Dorfbewohnern, verbeugte sich und sagte: "Ich begrüße alle Bewohner der Insel. Wir haben erfahren, daß Schiffbrüchige hier an Land gegangen sind. Weiß jemand, wo sie sind?"

"Das sind doch wir!" rief der kleine MaiMai vorlaut, und der Kapitän sah ihn erstaunt an.

"Ja", sagte Herr MaiMai, "wir sind die Schiffbrüchigen. Seit zehn Wochen sind wir hier, und uns geht es so gut!"

"Natürlich", sagte der Kapitän. "Aber jetzt haben wir euch gefunden und werden euch nach Hause zurück bringen."

"Ich will nicht nach Hause. Ich bin hier zu Hause!" rief der kleine MaiMai.

"Ja, wir sind jetzt alle hier zu Hause!" riefen die Kinder. Auch die Inselkinder. Sie waren ja auch wirklich auf der Insel zu Hause.

Als der Kapitän das hörte, war er zunächst ganz verwundert, aber dann wurde er ärgerlich und bekam vor lauter Ärger einen roten Kopf: "Seit zehn Wochen fahren wir in dieser Gegend von Insel zu Insel, um euch zu retten. Und jetzt wollt ihr nicht mit zurück nach Deutschland?"

Ein paar weiße Erwachsene riefen, sie wollten wohl mit zurück, aber die Kinder übertönten sie: "Wir wollen hier bleiben! Wir wollen hier bleiben!" riefen sie im Chor.

Nun fingen sie sogar an, um den Kapitän herumzutanzen, und der ging zu Herrn MaiMai und fragte ihn: "Stimmt das, Sie wollen hier bleiben?"

"Ich glaube ja. Die meisten zumindest. Ich kann mir nicht mehr vorstellen, jeden Tag ins Büro zu gehen. Hier ist es wie im Paradies. Ich bleibe auf jeden Fall hier", sagte Herr MaiMai.

Da zuckte der Kapitän mit den Schultern. "Ich kann niemand zwingen", sagte er und brüllte laut: "Wer mit mir nach Deutschland zurück will, der soll morgen früh am Strand sein!" Dann drehte er sich um und ging zurück zu seinem Boot und ließ sich zum Schiff aufs Meer hinaus rudern.

Die Dorfbewohner sagten nun, daß sie auf Rui Rui Wong bleiben wollten, alle. Und deshalb feierten sie auch gleich abends ein Fest, so lange, bis der Regen kam. Der Wasserdrache Rui Rui Duk bespritzte sie mit Wasser, bis alle klatschnaß waren.

Am nächsten Morgen, als dann der Kapitän mit seinem Boot wieder angerudert kam, um diejenigen abzuholen, die mit ihm zurückfahren wollten, standen zwar wieder alle Inselleute am Strand, aber Herr MaiMai rief schon von weitem: "Sie können umdrehen! Es fährt niemand mit! Auf Wiedersehen!"

Da winkte der Kapitän noch einmal, gab seinen Matrosen einen Befehl, und das Boot steuerte zurück zum Schiff.

Müde und ein wenig gähnend von der langen Nacht - denn sie hatten ja wieder alle gefeiert - standen die Leute von Rui Rui Wong am Strand und sahen dem Boot nach.

Sie sahen, wie die Matrosen an Bord gingen und wie das Boot eingeholt wurde. Schließlich verschwand das Schiff am Horizont.

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Die siebte Geschichte

Wie Rui Rui Duc einmal Liebeskummer hatte

Und wieder ging die Sonne auf über der kleinen Insel in der Südsee.

Aber heute war kein normaler Rui Rui Wong-Tag. Heute war ein ganz besonderer Tag, denn KolKol, der große dicke Häuptling, hatte Geburtstag.

Und das war auch kein normaler Geburtstag: KolKol wurde an diesem Tag fünfzig Jahre alt. Und seit genau zwanzig Jahren war er jetzt einer der beiden Häuptlinge der kleinen Insel in der Südsee, seit sein Großvater ErEr nicht mehr Häuptling sein wollte.

Alle Leute auf Rui Rui Wong wollten an diesem Tag zusammen mit KolKol ein riesengroßes Fest feiern. Die ganze Woche vorher schon hatten sie Essen vorbereitet, gekocht, gebacken, gebraten. Sie hatten ganz besondere Getränke gemacht. Sie hatten Musikinstrumente herbeigetragen und den Dorfplatz geschmückt. Das größte Fest, das Rui Rui Wong je gesehen hatte, sollte gefeiert werden.

Und tatsächlich - sie haben es auch gefeiert. Schon das Frühstück war ein Festfrühstück, mit vielen köstlichen Speisen und Getränken. Nach dem Frühstück sangen sie zusammen Lieder, und alle brachten ihre Geschenke für den Häuptling.

Es ging den ganzen Tag weiter mit Musik und Gesang und Tanz, und schließlich, am Abend, als sie genug gegessen und getrunken hatten, da wollten sie als Abschluß ein großes Rui Rui Wong-Festfeuer veranstalten.

Ein Rui Rui Wong-Festfeuer ist etwas ganz Besonderes, das es nur auf Rui Rui Wong geben kann. Dann zünden die Leute von Rui Rui Wong auf dem Dorfplatz ein riesengroßes Feuer an. Das ist eigentlich etwas gefährlich, denn rings um den Dorfplatz stehen die Häuser der Inselleute, stehen die Palmen, und wenn die Feuer fangen...

Aber das Riesenfeuer war auch für den Wasserdrachen das Zeichen, daß das Fest zu Ende ist, und er strengte sich dann immer ganz besonders an und es machte ihm immer ganz besonderen Spaß, das Riesenfeuer zu löschen.

Und so war es auch am fünfzigsten Geburtstag von Häuptling KolKol. Das Riesenfeuer brannte und prasselte. Die ganze Insel war hell erleuchtet.

Klein MaiMai stand ganz nah am Feuer. So ein großes Feuer hatte er in seinem Leben noch nie gesehen. MiMi wollte ihn wegziehen. Sie sagte: "Es wird vielleicht doch gefährlich!"

Aber Klein MaiMai sagte: "Ach was. Gleich kommt der große Wolkenbruch, gleich löscht Rui Rui Duk das ganze Feuer einfach aus."

"Meinst du wirklich?" fragte MiMi.

"Na klar", sagte Klein MaiMai, "auf den ist doch Verlaß."

"Ich weiß nicht", sagte MiMi. "Das Feuer brennt immer heller! Und guck mal da drüben, die Palme! Die Blätter werden schon ganz schwarz!"

"Stimmt tatsächlich", sagte Klein MaiMai. "Hey, Papa", sagte er zu seinem Vater, der gleich daneben stand, "guck mal, die Blätter der Palme werden schon schwarz!"

"Ich hab’s gesehen", sagte Herr MaiMai. "Also wenn Rui Rui Duk jetzt nicht gleich löscht, dann wird die Sache brenzlich!"

Tatsächlich, es roch auch schon ganz brenzlich, und das dicke Geburtstagskind, Häuptling KolKol, kam schweißüberströmt - das Feuer war natürlich auch heiß - angelaufen und rief: "Was ist denn los? Warum löscht der Drache das Feuer nicht? Da hinten, da hinten fängt schon ein Haus an zu brennen!"

Alle Leute begannen auf einmal wie wild durch die Gegend zu rennen. Offensichtlich hatte der Drache verschlafen, oder er hatte keine Lust, oder er war nicht zu Hause.

Keiner wußte, was zu tun ist. Alle hatten jetzt Angst um die Häuser. Da begann der kleine MaiMai zu brüllen: "Halt! Nicht durcheinander rennen! Jeder holt den Eimer aus seinem Haus!"

Die Leute rannten schnell in ihre Häuser und holten ihre Eimer. "So, und jetzt stellen wir uns alle in eine Reihe auf!" rief Klein MaiMai. Und alle stellten sich in einer Reihe auf, vom Feuer bis zum Strand.

Am Strand füllte der erste den Eimer mit Wasser, gab ihn seinem Nachbarn, der gab ihn seinem Nachbarn und so weiter bis zu dem, der ganz vorne am Feuer stand und das Wasser auf das Feuer kippte.

Die Kinder hatten sich nicht eingereiht. Sie versuchten, mit Decken und mit allem, was sie finden konnten, das Feuer von den Häusern wegzuhalten.

Einige der Häuser begannen zu brennen. Es sah so aus, als könnten die Leute von Rui Rui Wong das Feuer nicht löschen, denn nur mit Eimern kann man ein so großes Feuer nicht bekämpfen.

Aber in diesem Moment begann es zu regnen. Und alle Leute sagten: "Oh, Gott sei Dank, jetzt ist der Drache aufgewacht. Jetzt läßt er es regnen."

Aber es hörte auch nicht wieder auf zu regnen. Es regnete die ganze Nacht hindurch, und es regnete nicht nur auf das Feuer, nein, es regnete auf der ganzen Insel. Da merkten die Leute, daß das gar nicht der Drache war; es war echter Regen, ein richtiger Wolkenbruch.

Immerhin, das Feuer war gelöscht, für die Häuser bestand keine Gefahr mehr, und die Leute von Rui Rui Wong konnten ins Bett gehen. Sie waren jedoch viel zu aufgeregt und konnten kaum schlafen, obwohl sie sehr müde waren. Und vor allem der Häuptling KolKol konnte nicht schlafen, denn schließlich war das Feuer ihm zu Ehren angezündet worden, und fast wäre deshalb das ganze Dorf abgebrannt.

Am nächsten Tag trafen sich alle zum Frühstück auf dem Dorfplatz, und sie hatten nur ein Thema, über das sie sprachen – Was ist los mit Rui Rui Duk? Warum hat der Wasserdrache das Feuer nicht gelöscht? Ist er böse auf die Inselbewohner? Ist er weggezogen? Hat er Urlaub genommen?

Um das herauszubekommen, stiegen nach dem Frühstück Häuptling GenGen und Herr MaiMai in ein Boot und ruderten hinüber zur Drachenklippe.

Dort trafen sie Rui Rui Duk. Er war also nicht in Urlaub gefahren. Er lag wie jeden Tag auf seiner Drachenklippe in der Sonne und sonnte sich. "Hey, Rui Rui Duk!" sagte Herr MaiMai.

"Was wollt ihr von mir?" fragte Rui Rui Duk mürrisch.

"Wir wollen nichts von dir, wir wollen nur fragen, äh, hast du nicht gesehen, das Feuer gestern nacht?"

"Das Feuer? Was geht mich euer doofes Feuer an! Laßt mich in Ruhe!" sagte Rui Rui Duk.

Das waren die Leute von Rui Rui Wong nicht gewohnt – normalerweise war der Drache ein sehr freundlicher Drache.

"Ist dir nicht gut, Rui Rui Duk?" fragte GenGen.

"Ach, nicht gut, nicht gut!" schimpfte der Drache. "Natürlich geht’s mir gut, warum soll’s mir schlecht gehn? Haut endlich ab und laßt mich in Frieden!"

Da blieb Herrn MaiMai und Häuptling GenGen nichts anderes übrig: sie ruderten wieder zurück. Auf dem Dorfplatz berichteten sie den anderen Inselleuten, was der Wasserdrache zu ihnen gesagt hatte. Und alle machten sich Sorgen um den sonst so freundlichen Drachen. Irgend etwas war nicht in Ordnung.

So beschlossen Klein MaiMai und MiMi, die gut befreundet waren mit dem Drachen, seit sie ihn versteckt hatten vor den Schiffsleuten, es doch noch einmal zu versuchen, und sie ruderten hinüber auf die Klippe.

"Rui Rui Duk", sagte MiMi ganz lieb. "Was fehlt dir denn? Wir wollen dir so gerne helfen!"

"Ach", brummte der Wasserdrachen, "laßt mich in Frieden. Ihr könnt mir doch nicht helfen."

"Aber", sagte MiMi, "wenn du uns nicht sagst, was dir fehlt, warum du traurig bist, dann können wir dir wirklich nicht helfen! Aber wenn du’s sagst, könnten wir’s vielleicht versuchen!"

"Ach, wißt ihr, Kinder", sagte Rui Rui Duk, "wißt ihr, ich bin so allein! Jeden Tag stehe ich morgens alleine auf, leg’ mich alleine auf die Klippe, liege alleine in der Sonne, fang mir alleine ein paar Fische, und abends, abends, da spritze ich euch alleine alle naß. Jeden Tag! Das ist soo langweilig! Und eigentlich mag mich ja gar keiner! Ich bin ja nur gut, um das Feuer zu löschen!"

"Ach was, Rui Rui Duk", sagte Klein MaiMai, "das stimmt doch nicht. Wir mögen dich, wir brauchen dich!"

MiMi sagte nichts. Sie dachte nach, und dann sagte sie: "Weißt du was, Rui Rui Duk, das ist doch klar, du bist’n Drache und wir sind Menschen. Ich glaube, was dir fehlt, das ist ein anderer Drache!"

"Das mag ja sein", sagte Rui Rui Duk. "Aber außer mir gibt’s keine Drachen mehr."

"Woher weißt du das so genau?" fragte Klein MaiMai.

"Ich weiß es eben", sagte Rui Rui Duk. "Ich erzähl’s euch ein andermal, wie das war mit den Drachen."

"Noch besser", sagte MiMi, "noch besser wär es für dich, Rui Rui Duk, wenn du eine Frau hättest!"

"Aber ich sagte doch schon, es gibt keine anderen Drachen mehr!" sagte Rui Rui Duk. Dann wurde er nachdenklich: "Heute nacht hatte ich einen Traum", sagte er zögernd.

"Was für einen Traum denn?" fragte Klein MaiMai. "Erzähl, erzähl! Erinnerst du dich noch?"

"Ja", sagte Rui Rui Duk, "ich erinnere mich ganz deutlich. In meinem Traum, da habe ich einen anderen Wasserdrachen gesehen. Und da kam ein alter Mann mit einem ganz langen Bart und sagte zu mir im Traum: ‚Rui Rui Duk, du kannst eine Frau finden, aber du benötigst dazu das goldene Blatt vom goldenen Baum im goldenen Traum!‘

Und dann", fuhr Rui Rui Duk fort, "und dann, dann kamen der blöde GenGen und der blöde Herr MaiMai und fragten mich, warum ich ihr Feuer nicht gelöscht hätte, ihr blödes. Und so konnte ich den alten Mann im Traum nicht fragen, wo denn der goldene Baum steht, an dem das goldene Blatt sein soll. Wißt ihr denn, wo das ist?"

"Nein", sagte MiMi, "das weiß ich nicht."

"Nein", sagte Klein MaiMai, "das weiß ich auch nicht. Woher soll ich’s denn auch wissen?"

"Aber", sagte MiMi, "Rui Rui Duk, sei nicht traurig. Wir halten zu dir. Und wir überlegen jetzt, wo wir dieses goldene Blatt herkriegen könnten. Vielleicht hatte der alte Mann im Traum ja recht, und du findest wirklich eine Frau, wenn wir dir das Blatt besorgen!"

"Ach, da wird ja doch nichts draus", sagte der Drache traurig, schloß die Augen und legte sich wieder zurecht auf seiner Drachenklippe, um in der Sonne ein wenig zu schlafen.

Die beiden Kinder ruderten zurück zur Insel, und dort überlegten sie, was denn jetzt zu tun sei. Niemand auf dem Dorfplatz hatte jemals etwas von einem goldenen Baum gehört, im goldenen Traum – wo soll das denn sein? Alle waren sich einig, daß es so etwas auf der Insel nicht gibt.

Aber MiMi ließ sich nicht entmutigen. Vielleicht wußten die Erwachsenen nur nichts von diesem goldenen Baum. Deshalb ging sie zum alten HeidHeid.

Der HeidHeid war älter als alle Menschen, die auf Rui Rui Wong lebten. Alle kannten ihn, und er war immer schon dagewesen, auch schon, als sie geboren wurden. Der alte HeidHeid lebte in einem kleinen Haus am Rande des Dorfes, hatte immer eine Zipfelmütze auf und saß meistens vor seinem Haus, wenn er nicht alleine spazieren ging.

MiMi besuchte ihn also. Sie besuchte ihn oft, wenn sie in irgendeiner Sache Rat nötig hatte. Sie fragte ihn, ob er denn den goldenen Baum im goldenen Traum kenne, den mit den goldenen Blättern.

Aber auch der alte HeidHeid wußte nichts von einem goldenen Baum. Er wußte nur, daß es auf dem Inselberg, ganz oben auf dem Gipfel, eine Senke gab, die früher, als er selbst noch ein Kind war, also lange vor der Zeit der heutigen Bewohner, die "Goldene Mulde" geheißen habe. Er wußte nicht mehr, warum sie diesen Namen getragen hatte. Aber er wußte noch, wie sein Großvater immer erzählt hatte, daß die Goldene Mulde gefährlich sei. Vor allem bei Vollmond.

Mit dieser Nachricht ging die kleine MiMi zurück zu den anderen auf dem Dorfplatz und berichtete ihnen davon. Keiner auf dem Dorfplatz hatte jemals etwas von einer goldenen Mulde ganz oben auf dem Berg gehört.

Aber weil der alte HeidHeid doch oft Sachen wußte, die sonst keiner mehr wußte, machten sich Klein MaiMai und MiMi und KolKol und Herr MaiMai nach dem Mittagessen auf, um ganz hoch auf den Gipfel des Inselberges zu steigen.

Es war eine lange Wanderung. Klein MaiMai und MiMi waren noch nie so hoch gekommen. Und wie sie schließlich ganz oben auf dem Gipfel waren, da sahen sie vor sich eine hügelige Landschaft, und als sie sich zum Meer hin umwandten, erblickten sie die Sonne, die gerade am Horizont versank. Sie schickte ihre letzten goldenen Strahlen zur Insel hin.

Wie sie sich wieder umdrehten, um den Gipfel zu betrachten, da sahen sie, daß eine kleine Senke unter ihnen ganz golden schimmerte. Da sagte MiMi: "Mensch, Klein MaiMai, guck mal, da unten ist die Goldene Mulde!"

Aber Klein MaiMai war verschwunden. Gerade noch war er neben ihr gestanden, und jetzt war er einfach nicht mehr da.

"Klein MaiMai!" rief sie. "Wo bist du denn?"

 

Klein MaiMai war nicht zu sehen. Wohin war er gegangen?

Klein MaiMai hatte sich nicht mit den anderen zur Sonne umgedreht, um zu sehen, wie sie im Meer versank. Er hatte deshalb als erster gesehen, daß die goldenen Sonnenstrahlen die Mulde golden schimmern ließen.

Er war sofort losgerannt, in die Mulde hinein. Das goldene Licht war auf einmal überall um ihn herum. Es wurde heller und heller. Fast fürchtete er sich ein wenig. Er drehte sich zu den anderen um und wollte ihnen etwas zurufen, aber - er konnte sie nicht mehr sehen, nur noch das goldene Licht überall.

Als er sich wieder umdrehte, sah er vor sich einen kleinen Pfad. Er folgte ihm.

Der Pfad wand sich durch das goldene Licht hindurch. Links und rechts des Pfades wuchs goldenes Gras. Auf einmal hörte Klein MaiMai ein lautes, hartes Zischen.

Er erschrak. Eine Schlange saß vor ihm. Sie war ganz golden und zischte ihn böse an: "Was willst du?"

"Äh", sagte Klein MaiMai, "ich, ich, ich suche den goldenen Baum."

"Was suchtst du?" fragte die Schlange, "den goldenen Baum? Da muß ich dich beißen, denn ich bewache den Baum!"

"Aber", sagte der kleine MaiMai, "aber ich brauche nur ein einziges Blatt vom goldenen Baum."

Da sagte die Schlange: "Du wirst es nicht bekommen! Ich beiße dich, und dann mußt du sterben!"

"Nur ein Blatt brauch’ ich vom goldenen Baum" sagte Klein MaiMai noch einmal. "Aber - wo ist der denn überhaupt? Ich glaube, den gibt’s gar nicht!"

"Ha!" rief die Schlange. "Du glaubst nicht, daß es den goldenen Baum gibt? Natürlich gibt es den! Komm, ich zeige ihn dir, und dann beiße ich dich."

Und die Schlange kroch vor Klein MaiMai den gewundenen Pfad entlang, zwischen Hügeln hindurch, und auf einmal stand vor ihnen ein großer Baum mit einer breiten Krone, der golden schimmerte - der goldene Baum.

"Da ist er!" sagte die Schlange. "Jetzt beiße ich dich!"

Und sie kroch langsam auf Klein MaiMai zu. Aber Klein MaiMai sprang schnell zur Seite, rannte die wenigen Meter zum Baum hin und riß ein Blatt ab.

In diesem Moment leuchtete ein ganz grelles weißes Licht um ihn auf, wie ein Blitz, und dann hörte er einen lauten Donner, so laut, daß mit einem Male alles Goldene um ihn herum verschwand, und er saß im Regen im grünen Gras, im Matsch, auf der Erde.

 

"Da ist er ja!" rief MiMi, und KolKol und Herr MaiMai liefen hinunter in die Senke zu Klein MaiMai, der dort ganz verdutzt auf der Erde saß, klatschnaß vom Regen, der auf ihn herabfiel. In der Hand hielt er ein goldenes Blatt.

"Was ist los?" fragte Klein MaiMai. Da erzählten ihm die anderen, was sie gesehen hatten. Sie erzählten ihm, wie er auf einmal nicht mehr zu sehen war, wie er verschwunden war, daß sie alle nach ihm gesucht hätten, daß sie sich aber nicht getraut hätten, hinunterzugehen in die Senke, in der ein unheimliches goldenes Licht gelegen habe.

Dann - so erzählten sie weiter - sei die Sonne untergegangen, ein Blitz habe den Himmel erleuchtet und Donner und Regen eingesetzt, und Klein MaiMai sei wieder dagewesen.

Klein MaiMai erzählte natürlich den anderen auch, was er erlebt hatte. Wie er es geschafft hatte, die Schlange zu überlisten und das Blatt vom goldenen Baum abzureißen.

So stiegen sie zuversichtlich den Berg hinunter, und Klein MaiMai und MiMi gingen gleich zu den Booten und fuhren trotz der Dunkelheit, die inzwischen herrschte, hinaus zur Klippe, um dem Wasserdrachen das goldene Blatt zu bringen.

Der freute sich natürlich, denn wenn es einen goldenen Baum im goldenen Traum und ein goldenes Blatt gab, dann konnte er vielleicht ja doch eine Frau finden.

Und tatsächlich - am nächsten Tag, morgens beim Frühstück, war Rui Rui Duk weg. Er blieb lange weg. Sieben Tage lang mußten die Leute auf Rui Rui Wong ihre Feste ohne den Wasserdrachen feiern.

Aber als sie am siebten Tag abends gemütlich beieinander am Strand saßen, sich etwas erzählten, tranken, lachten, da gab es auf einmal einen Wolkenbruch, wie sie ihn wirklich noch nie erlebt hatten. So viel Wasser goß auf sie herab, daß sie zuerst dachten, die ganze Insel müsse ertrinken.

Aber dann bemerkten sie, daß der Regen nicht nur von einem Wasserdrachen kam, sondern von zwei Wasserdrachen! Rui Rui Duk hatte tatsächlich eine Frau gefunden und mitgebracht.

Und deshalb feierten die Leute von Rui Rui Wong zusammen mit dem Wasserdrachen und seiner Frau gleich ein großes Fest, und sie feierten bis zum Sonnenaufgang, bis die Sonne wieder aufging zu einem neuen Tag über der kleinen Südseeinsel Rui Rui Wong.

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(c) 1994/2001 Peter Wanner